Leseprobe Wehe dem, der schläft

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Leseprobe – Wehe dem, der schläft

 

Kapitel 1

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Leseprobe Wehe dem, der schläft Patricia sah etwas genervt auf ihre Armbanduhr und ließ ihren Blick dann durch das weitläufige und noch leere Wohnzimmer schweifen.

In Gedanken hatte sie den Raum schon hundertmal eingerichtet und konnte es kaum erwarten, endlich mit der Arbeit zu beginnen.

Die Maler waren bereits in der vorletzten Woche gekommen, um das Haus nach ihren Angaben zu verschönern und sie hatten wahre Wunder bewirkt.

Die vormals dunklen Holzdecken und vorhandenen Holzwände waren in einem strahlenden weiß gestrichen worden.

Die Holzdielen im Haus und auf der breiten überdachten Veranda hatte man neben sämtlichen Türen abgeschliffen, neu lackiert und versiegelt.

Sie wollte den ursprünglichen Charakter des Hauses auf jeden Fall bewahren, denn genau darin hatte sie sich verliebt.

Die Räume sollten lediglich einen helleren und freundlicheren Anstrich bekommen und notwendige Instandsetzungsarbeiten waren auch vonnöten.

Der Sanitärbereich im ersten Stock war in der darauffolgenden Woche modernisiert worden und Patricia war nun die glückliche Besitzerin einer großen Eckbadewanne und einer begehbaren Dusche.

Dies war neben der exquisiten Küche der einzige Luxus, den sie sich gönnte und auf den sie einfach nicht verzichten wollte.

Bereits vor zwei Stunden hätte der Möbelwagen ankommen sollen, doch noch immer war nichts von ihm zu sehen.

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Es hatte wieder angefangen zu schneien und der Weg hinauf zu ihrem Haus schlängelte sich mitten durch die hügelige Landschaft.

Schon gestern hatte sie mit ihrem Pick-up Mühe gehabt, die Steigungen zu bewältigen und wäre fast stecken geblieben.

Wieder einmal hatte sie sich innerlich verflucht, nicht auf ihren Vater gehört zu haben.

Er hatte sie erfolglos davon überzeugen wollen, sich endlich ein Fahrzeug mit Allradantrieb zu kaufen, wenn sie schon beabsichtigte, der Welt den Rücken zu kehren und in die Berge zu ziehen. Doch davon wollte Patricia nichts wissen.

Sie liebte ihren altersschwachen weißen Pick-up, der zwar mittlerweile fast fünfundzwanzig Jahre auf dem Buckel hatte, aber nach wie vor schnurrte wie ein Kätzchen.

Während des Studiums und in den Jahren danach hatte er ihr immer gute Dienste geleistet und sie nicht ein einziges Mal im Stich gelassen. Ihn jetzt abzugeben, wäre für sie einem Verrat gleichgekommen.

Außerdem war der Pick-up ein Geschenk ihres Onkels George, der den Wagen stets wie seinen Augapfel gehütet hatte.

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Er erinnere ihn daran, dass er klein angefangen habe und das wolle er keinesfalls vergessen, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren, hatte er ihr einmal erklärt.

Da er das ständige Genörgel seiner Frau wegen des Fahrzeugs jedoch irgendwann einfach satt war, wartete er nur auf den Moment, in dem Patricia endlich den Führerschein machte.

Sie war für ihn von jeher der ungekrönte Liebling der Kinder seiner Schwester, und er hatte sich mehrfach davon überzeugen können, dass sie Dinge wertschätzte.

So konnte er sicher sein, dass sie pfleglich mit seinem geliebten Fahrzeug umging.

Seine Frau Mildred ertrug den Gedanken einfach nicht, dass er als erfolgreicher Immobilienmakler in einer alten Schrottkarre durch die Gegend fuhr und sich in keiner Form dafür schämte.

Für sie war Ansehen und Prestige alles.

Wieder einmal stellte sich Patricia insgeheim die Frage, wie ihr liebenswerter Onkel und einziger Bruder ihrer Mutter nur solch eine Frau hatte heiraten können.

Sie hatte ihn nie danach gefragt.

Die seinerzeit 2-jährigen Zwillinge Samantha und Cynthia, die Mildred mit in die Ehe gebracht hatte, eiferten ihrer Mutter in sämtlichen schlechten Charakterzügen nach.

Patricia hatte trotz ihrer Bemühungen in all den Jahren nie einen Zugang zu ihnen gefunden, obschon sie nur zwei Jahre jünger waren als sie selbst.

Gemeinsame Kinder hatten Mildred und George jedoch nie bekommen.

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Vielleicht wollten sich die beiden Mädchen auch einfach nicht auf das Niveau einer gut bürgerlichen Familie hinablassen, da ihr Stiefvater es recht schnell zu Wohlstand und Ansehen gebracht hatte.

Patricias Vater hingegen war nur ein einfacher Handwerker, dessen immense Überstunden es der Familie ermöglicht hatten, sich irgendwann ein kleines Haus kaufen zu können.

Ihre Mutter arbeitete bereits seit ewigen Zeiten stundenweise in einem Supermarkt, um neben der Betreuung der drei Kinder noch etwas dazuzuverdienen.

Eine ganz normale amerikanische Familie eben, die zwar nicht im Überfluss lebte, der es jedoch auch an nichts mangelte, um zufrieden sein zu können.

Gedankenverloren ging Patricia nun in ihre offene Küche hinüber und befüllte die Kaffeemaschine.

Bei der Küche handelte es sich um den einzigen Raum im Haus, der bereits eingerichtet war.

Schon in ihrer Jugend hatte sie immer davon geträumt, eine sogenannte Wohnküche ihr Eigen zu nennen, in deren Mitte eine riesige Kochinsel stand.

Als erfolgreiche Schriftstellerin hatte sie sich diesen Traum nun erfüllt und sich auch nicht von der horrenden Summe abschrecken lassen, die die Firma für diese im grau/weinroten Vintage Stil gehaltene Küche verlangte.

Einzig die Elektrogeräte und die vier mit weinrotem Leder bezogenen Barhocker, die sich um die Kücheninsel, die zugleich auch als Esstresen fungierte, verteilten, waren hochmodern und bildeten damit den perfekten Kontrast.

Nachdem ein Elektriker die Leitungen überprüft und bestätigt hatte, dass alles in bester Ordnung war, hatte sie ihn noch gebeten, einige bereits mitgebrachte kleinere Wandlämpchen anzubringen.

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Die Küche war gestern geliefert und auch aufgebaut worden. Gemeinsam mit ihrer Freundin Myriam hatte sie in aller Frühe die bereits gepackten Küchenutensilien aus ihrer alten Wohnung in New York herüber geschafft und nach erfolgreichem Küchenaufbau eingeräumt.

Um das beauftragte Umzugsunternehmen und die Auflösung ihrer ehemaligen Bleibe würden sich ihre Eltern kümmern, da sie ganz in der Nähe wohnten.

So musste Patricia diese lange Strecke von knapp vierhundert Kilometern nicht noch einmal auf sich nehmen und konnte sich ganz auf ihr neues Zuhause konzentrieren.

Nach dem Einräumen der Küche war sie noch die fast vierzig Kilometer in die knapp 4400 Einwohner zählende Kleinstadt Stowe gefahren, um den Kühlschrank zu befüllen.

Eine wahre Berg- und Talfahrt, da Stowe in einem weitläufigen Tal im Zentrum der Green Mountains lag. Myriam hatte sich unterdessen wieder auf den Nachhauseweg gemacht.

Ihre Freundin war verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Sie wollte nicht im Dunkeln losfahren.

Das konnte Patricia ihr nicht verdenken, zumal die Strecke bei den herrschenden Wetterverhältnissen selbst bei Helligkeit eine wahre Herausforderung war.

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Hoffentlich hatte der Fahrer des Umzugsunternehmens nicht ebensolche Schwierigkeiten gehabt, wie sie am gestrigen Tag und wartete womöglich in diesem Moment auf den Abschleppdienst.

Darüber wollte sie erst gar nicht nachdenken.

Trotz der frühen Stunde, es war gerade einmal neun Uhr am Morgen, sah es ganz danach aus, als ob es schon dunkel würde. Der Himmel war dicht bewölkt.

Laut Wettervorhersage sollte es den ganzen Tag über weiter schneien. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

Kurz kam ihr der Gedanke, dass es doch vielleicht etwas leichtsinnig von ihr gewesen war, so fern ab der Zivilisation in den Bergen von Vermont ein Haus gekauft zu haben.

Ihre Eltern hatten ihr dies mehrfach vorgeworfen.

Doch Patricia liebte die Abgeschiedenheit, denn nur in dieser konnte sie wirklich abschalten und ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

Ihre Agentin Linda Montgomery hatte sie auf dieses Anwesen aufmerksam gemacht, da sie wusste, dass Patricia schon lange auf der Suche nach einem abgelegenen Haus war.

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Das schnuckelige mittelgroße Backsteinhaus mit der ausladenden und überdachten Veranda, das inmitten eines riesigen Grundstücks lag, auf dem zahlreiche große und kräftige Obstbäume standen, hatte es ihr sofort angetan.

Auch die bewirtschaftete und sehr weitläufige Ackerfläche hinter dem Haus, die für den Eigenanbau angelegt worden war, faszinierte sie regelrecht.

Als Teenager hatte Patricia bereits davon geträumt, in gewissem Rahmen Selbstversorgerin zu werden. Die Grundlage dafür hatte man ihr mit diesem Anwesen geschaffen.

Besser hätte sie es gar nicht antreffen können.

Und der Preis war ebenfalls mehr als annehmbar. Der frühere Besitzer war verstorben und die Erben wollten nur möglichst schnell verkaufen, um sich mit dem Haus nicht belasten zu müssen. Keine der vier Töchter hatte vor, in der Wildnis zu leben, so wie ihr Vater es getan hatte.

Sie waren allesamt Stadtmenschen und konnten der Natur nichts abgewinnen.

Sie konnte sich noch gut an ihre gerümpften Nasen erinnern, als man sich bei dem Haus gemeinsam mit der Maklerin getroffen hatte.

Das Treffen hatte vor noch nicht einmal zwei Monaten stattgefunden.

Da es den ganzen Tag über stark geregnet hatte, war die Rasenfläche bis zur Veranda hin ziemlich matschig.

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Patricia hatte sich ein Lachen verkneifen müssen, als die aufgetakelten Schwestern eine nach der anderen mit ihren High Heels stecken geblieben waren.

Ihren eigenen derben Winterstiefeln konnte das nichts anhaben.

Recht schnell war ihr klar geworden, dass die vier Frauen nur mitgekommen waren, um nachzusehen, ob sich noch brauchbare Wertgegenstände in dem Haus befanden, die sie verkaufen konnten. Sie nahmen sich einen Raum nach dem anderen vor und durchsuchten akribisch Schränke und Schubladen.

Selbst unter den Teppichen sahen sie nach. Es war unverkennbar, dass sie dieses Haus noch niemals zuvor betreten hatten, und das bestätigte sich auch recht schnell aus ihren Unterhaltungen heraus.

Ihren verstorbenen Vater hatten sie zwar bereits seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, wussten jedoch, dass er ein begnadeter Maler gewesen war.

Somit erhoben sie lediglich auf die verbliebenen Bilder einen Anspruch, die der alte Mann in Patricias jetzigem Arbeitszimmer gemalt hatte.

Der Raum war lichtdurchflutet und hatte ihm daher als perfektes Atelier gedient.

Der Maklerin trugen sie kurzerhand auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Rest der Sachen einfach entsorgt würde. Sollte der potenzielle Käufer jedoch an dem Gerümpel, wie sie es nannten, ein Interesse haben, verlangten sie dafür eine horrende Summe.

Sie selbst hatten keinerlei Verwendung dafür. Kurz darauf verabschiedeten sie sich auch bereits und verschwanden in einem sündhaft teuren SUV.

Patricia und die Maklerin hatten sich erstaunt, ob dieses Verhaltens angesehen, aber keine der Frauen verlor darüber ein Wort.

Patricia ging diese Sache sowieso nichts an und die Maklerin war einfach zu professionell, um sich dazu zu äußern.

Auch wenn Patricia das alles nicht verstehen konnte, bedeutete diese Tatsache einen wahren Glücksfall für sie.

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Sie war überaus erfreut, endlich der Enge und des immensen Geräuschpegels von New York entkommen zu können.

Ihre Eltern und die beiden älteren Brüder lebten nach wie vor unweit der Weltmetropole und konnten wiederum nicht begreifen, dass solch eine junge Frau wie Patricia freiwillig die Einsamkeit einem gesellschaftlichen Leben vorzog.

Jedem das Seine, dachte sie bei sich und war froh, diese Entscheidung getroffen und in die Tat umgesetzt zu haben.

Vielleicht würde sie sich auch recht bald einen Hund anschaffen, der ihr Gesellschaft leisten und zudem als Wachhund fungieren konnte.

Platz hatte sie ja wahrlich genug und die Tierheime waren sowieso überfüllt. So konnte sie einem armen Wesen ein neues Zuhause geben.

Das lang gezogene Piepen der Kaffeemaschine riss sie abrupt aus ihren Gedanken.

Langsam streckte sie ihre steifen Glieder und griff dann nach einer der Kaffeetassen, die an einer Chromstange direkt über dem Herd baumelten.

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Sie hatte unsagbare Rückenschmerzen und freute sich schon auf ihr weiches Bett. Noch eine Nacht auf dieser Luftmatratze hätte sie gewiss nicht ausgehalten.

›Create your own future‹, stand in fein geschwungener Schrift auf der knallroten und bauchigen Tasse, an deren Rand ein Stück abgebrochen war.

Sofort kehrten ihre Gedanken zu ihrem Onkel George und ihrem 18. Geburtstag zurück, an dem er ihr diese Tasse mit einem Augenzwinkern überreicht hatte.

Das war nun bereits über zwölf Jahre her, von dem beschädigten Gefäß hatte sie sich jedoch in all dieser Zeit nicht trennen können.

Es verkörperte für sie den Glauben an ihren Erfolg, der auch nicht lange auf sich warten ließ.

Ihr Onkel war der Einzige, den sie in ihren Wunsch eingeweiht hatte, Schriftstellerin zu werden und dieses Geheimnis zwischen ihnen wahrte er die ganzen Jahre über wie einen Schatz.

Mittlerweile war sie eine begehrte Bestsellerautorin, um die sich die Verlage förmlich rissen.

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Wäre es nach ihren Eltern gegangen, hätte Patricia eine Banklehre begonnen, für deren Ausbildungsplatz ihr Vater bereits Vorsorge getroffen hatte.

In ihrer ziemlich konservativen Familie wurde ein Künstlerdasein bestenfalls als Hobby geduldet. Erst mit Erreichen ihrer Volljährigkeit traute sie sich, im Beisein von Onkel George, ihre Mutter und ihren Vater über ihr angestrebtes Ziel aufzuklären.

Neben dem College hatte sie bereits an zahlreichen Schreibkursen und Workshops teilgenommen, von denen ebenfalls nur ihr Onkel wusste.

Wo immer er konnte, unterstützte er sie tatkräftig.

Auch wenn sie ihren förmlich fassungslosen Eltern zum damaligen Zeitpunkt längst mehrere Kurzgeschichten präsentierten konnte, welche auch bereits erfolgreich in namhaften Journalen veröffentlicht worden waren, reagierten sie auf ihre Berufswahl äußerst ablehnend.

Und wieder sprang Onkel George für sie in die Bresche.

Sie würde ihm niemals vergessen, was er seinerzeit für sie getan hatte. Nur durch ihn stand sie heute da, wo sie stand.

Er hatte an sie geglaubt und sie immer wieder ermutigt, weiterzumachen.

Sein Verschwinden traf Patricia umso härter, hatte sie nicht nur einen liebevollen Onkel verloren, sondern auch einen Verbündeten.

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Zudem konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass George ohne ein Wort des Abschieds gegangen wäre. Das sah ihm nicht ähnlich.

Mittlerweile waren fast zwei Jahre vergangen, in denen die Familie kein Lebenszeichen mehr von ihm bekommen hatte.

Er verschwand von einem Tag auf den anderen und auch die Polizei tappte nach wie vor im Dunklen.

Die Ermittlungen waren schließlich eingestellt worden, da man nach akribischer Suche keinerlei Hinweise auf seinen Verbleib fand und der Meinung war, er hätte sich einfach abgesetzt.

Das Ganze war ein großes Rätsel und ließ Patricia noch immer nicht los. In den ersten Monaten nach seinem Verschwinden hatte sie mit Albträumen zu kämpfen.

Nacht für Nacht hörte sie die Schreie ihres Onkels und sah ihn um sein Leben rennen. Die Todesarten wurden immer drastischer und erschreckender.

Da sie sich bald nicht mehr auf ihre Schriftstellerei konzentrieren konnte, suchte sie schließlich einen Psychologen auf, dem sie fast ein Jahr lang treu blieb.

Danach konnte sie wieder besser schlafen und auch akzeptieren, dass ihr Onkel George vielleicht nicht der gewesen war, für den ihn alle gehalten hatten.

Möglicherweise hatte er ein Doppelleben geführt und die Belastung nicht mehr ausgehalten.

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Das würde zumindest erklären, warum er sich nicht von ihr verabschiedet hatte. Eine andere Erklärung fand sie einfach nicht, zumal alle weiteren Spuren im Sand verliefen.

Da die Polizei zu jener Zeit ständig im Haus ihrer Eltern ein und ausging und auch Patricia mehrfach befragt wurde, lernte sie im Laufe der Ermittlungen einen jungen Detective kennen.

Jason war ihr von Anfang an sympathisch und so lehnte sie auch seine Einladung zum Essen nicht ab.

Sie trafen sich ab diesem Zeitpunkt regelmäßig und Jason machte keinen Hehl daraus, dass er ein sehr starkes Interesse an ihr hatte.

Selbst wenn Patricia sich sehr geschmeichelt fühlte, konnte sie in ihm allerdings nur einen Freund sehen.

Für mehr war sie nicht bereit, zumal ihre letzte, knapp zweijährige Beziehung erst wenige Wochen zuvor in die Brüche gegangen war.

Matts Betrug mit einem Model hatte ihrem Selbstwertgefühl einen mächtigen Hieb verpasst.

Auch wenn er sie immer wieder um Verzeihung bat und beteuerte, dass es sich nur um einen unglückseligen Ausrutscher gehandelt hatte, konnte sie ihm diesen Vertrauensbruch einfach nicht verzeihen.

Sie hatten vorgehabt, im kommenden Jahr zu heiraten und bereits Pläne für die gemeinsame Zukunft geschmiedet.

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Die waren nun zerplatzt wie eine Seifenblase.

Ob sie jemals wieder einem Mann vertrauen konnte, stand in den Sternen. Dann verschwand ihr Onkel spurlos und das Geschehen mit Matt rückte in den Hintergrund.

Die Gespräche mit Jason taten ihr gut und brachten sie auf andere Gedanken. Er erklärte ihr immer wieder, dass solche Vermisstenfälle nicht selten wären.

Ständig brachen Menschen aus ihrem normalen Leben aus, um noch einmal ganz von vorne anzufangen. Sie ließen alles hinter sich, ohne zurückzuschauen.

Auch wenn man natürlich nicht sicher sein konnte, dass dies auch bei ihrem Onkel George der Fall war, so war es zumindest eine Erklärung.

Seine Leiche wurde nie gefunden und die fehlenden 300.000 Dollar auf seinem Bankkonto sprachen eine eigene Sprache.

Gleichwohl Patricia über das Verhalten des Onkels ihr gegenüber reichlich enttäuscht war und es auch noch immer nicht verstehen konnte, nahm sie es irgendwann schließlich als gegeben hin. Die Welt drehte sich weiter und sie musste versuchen, nach vorne zu sehen.

Auch sie war nun im Begriff, ein vollkommen neues Leben zu beginnen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Vielleicht war das auch der Grund, warum sie dem turbulenten Dasein in New York endgültig den Rücken gekehrt hatte.

In ihrer alten Heimat erinnerte sie alles an ihre gescheiterte Beziehung zu Matt und das Verschwinden ihres geliebten Onkels.

Zudem verging kein Tag, an dem ihre Mutter nicht über George sprach, um dann immer wieder in Tränen auszubrechen.

Die beiden waren Zwillinge, auch wenn sie vom Wesen her nicht unterschiedlicher hätten sein können.

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Claire konnte den Verlust einfach nicht überwinden und engagierte ohne das Wissen ihres Mannes mehrere Privatdetektive, die sich auf die Suche nach dem Vermissten machten.

Leider ohne Erfolg. Er blieb wie vom Erdboden verschluckt.

Tante Mildred hatte unterdes letztes Jahr zum dritten Mal geheiratet, sehr zum Missfallen ihrer Schwägerin und lebte nun mit ihrem neuen Mann auf den Bahamas.

Sie schien ihre Trauer um ihren zweiten Ehemann rasch überwunden zu haben.

Höchstwahrscheinlich war die Ehe sowieso nie recht harmonisch verlaufen. Dafür waren die beiden viel zu verschieden.

Bevor sie noch weiter in diesen trübsinnigen Gedanken verharren konnte, vernahm sie ein lautes Hupen vor dem Haus. Das musste der Möbelwagen sein.

Schnell stellte sie ihre Tasse beiseite, durchquerte das Wohnzimmer und trat in den kleinen Flur, der zur Eingangstür führte.

Das Schneetreiben war mittlerweile stärker geworden und als sie die massive Holztür öffnete, blies ihr der eisige Wind sofort schmerzhaft ins Gesicht.

Der Wagen des Speditionsunternehmens parkte quer auf dem mit bunten Kieselsteinen belegten runden Vorplatz, der direkt vor der breiten Veranda des Hauses begann.

Die vier Männer waren bereits ausgestiegen und machten sich gerade daran, die beiden hinteren Türen zu öffnen. Dann wurde auch schon die elektrische Rampe betätigt.

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So wie es aussah, wollten sie keine unnötige Zeit verlieren. Patricia umklammerte ihre Oberarme mit den Händen und schritt dann auf den Wagen zu.

Sofort drehte sich einer der Männer zu ihr um, während die anderen im Inneren des Laderaumes verschwanden.

»Da haben sie sich ja eine mehr als abgelegene Ecke ausgesucht«, sprach er sie an.

»Hier sagen sich wahrlich nur Fuchs und Hase gute Nacht. Würde mich nicht wundern, wenn sie uns in zwei Monaten anrufen, um den ganzen Kram wieder abholen zu lassen.«

Doch Patricia schüttelte den Kopf.

»Das wird ganz sicher nicht geschehen. Ich weiß sehr genau, auf was ich mich eingelassen habe.«

»Ihr Wort in Gottes Ohr, Mam«, erwiderte der Mann jedoch nur und konnte seinen Unglauben dabei nicht verbergen. Dann wies er auf die anderen Männer.

»Wir sollten uns beeilen. Ich traue dem Wetter nicht wirklich. Wenn das so weiter schneit, werden wir arge Probleme bekommen, nicht stecken zu bleiben.

Auf den Winterdienst zu warten halte ich für ziemlich sinnlos. Die werden sich erst einmal um die Ortschaften kümmern müssen, bevor sie in die Berge ziehen, sollten sie es überhaupt jemals tun.«

Patricia starrte den Mann erschrocken an. »Wollen sie damit etwa sagen, dass die Bergstraßen nicht geräumt werden?«

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Der Schock musste ihr wohl im Gesicht geschrieben stehen, da der Mann ein besänftigendes Lächeln erkennen ließ. »Irgendwann werden sie das ganz sicher tun.

Doch der Schutz der Bevölkerung hat Priorität. Und hier oben wohnt außer ihnen ja niemand. Sie wissen doch selbst, wie das ist.

Sobald der erste Schnee fällt, herrscht erst einmal ein fürchterliches Durcheinander. Ganz so, als hätte keiner gewusst, dass damit zu rechnen war.

Das ist doch jedes Jahr dasselbe.

Ich denke, dass sie davon ausgehen müssen, in den ersten Tagen auf sich allein gestellt zu sein. Haben sie wenigstens genug Lebensmittel im Haus und ist das Telefon bereits angeschlossen?«

Patricia konnte glücklicherweise beides bejahen und nickte mit dem Kopf.

Gestern Abend hatte sie noch versucht, mit ihren Eltern zu telefonieren, um ihnen mitzuteilen, dass sie gut angekommen war, hatte sie aber nicht erreichen können.

Zumindest war der Ruf durchgegangen. Und wie erleichtert war sie jetzt darüber, dass der Kühlschrank bestens gefüllt war.

Die nächsten Tage würde sie ganz sicher überstehen, auch wenn sie einschneien sollte.

»Nun denn«, sagte der Mann jetzt, der nur wenige Jahre jünger als ihr Vater zu sein schien, und wandte sich dann an seine Leute.

»Die Pläne der Zimmer habt ihr und wisst, wo alles hingestellt werden soll. Also lasst uns loslegen.«

»Ich koche ihnen in der Zwischenzeit einen Kaffee«, rief Patricia den Männern noch zu, die bereits mit den ersten Möbelstücken an ihr vorbeischritten.

Dann wartete sie, bis alle im Haus verschwunden waren und machte sich auf den Weg in ihre Küche.

 

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