Leseprobe Wen die Schuld quält

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Leseprobe Wen die Schuld quält

Kapitel 1

-Juli 2003-

 

Leseprobe Wen die Schuld quält »Liest du mir noch eine Geschichte vor, Mummy?«, quengelte die helle Stimme von Heather und entlockte Samantha damit ein Lächeln. »Aber das tue ich doch jeden Abend, mein Schatz«, erwiderte diese und gab ihrer kleinen Tochter einen sanften Kuss auf die Stirn.

Sofort rutschte Heather zur Seite, damit Samantha sich neben sie auf das rosafarbene Prinzessinnenbett mit dem himmelblauen und sternenverzierten Baldachin legen konnte.

Sobald ihre Mutter das große Märchenbuch, das auf dem zierlichen kleinen Nachttisch neben der grünen Froschlampe lag, in der Hand hielt, schmiegte Heather sich in ihre Armbeuge.

Dies war mittlerweile zu einem allabendlichen Ritual zwischen Mutter und Tochter geworden, auf das auch Samantha sich jedes Mal freute. Diese halbe Stunde gehörte ihr ganz allein mit ihrer Tochter.

Heather liebte das Märchen von Dornröschen über alles und ihr wurde es nie langweilig, die Geschichte immer wieder von vorne zu hören. Samantha hatte sie ihr bestimmt schon dreißig Mal vorgelesen und noch immer war die Kleine ganz aufgeregt und gefesselt von der Erzählung.

Heather war gerade zwei Jahre alt geworden und für ihr Alter schon recht groß. Sie war ihrer Mutter mit ihren dunkelbraunen, lockigen Haaren und den bernsteinfarbenen Augen wie aus dem Gesicht geschnitten. Zu ihrem Geburtstag hatte sie das Prinzessinnenbett geschenkt bekommen, da sie der Meinung war, dass auch sie eine Prinzessin sei und bald von einem Prinzen wach geküsst würde.

Das ganze Kinderzimmer war rosa gestrichen worden und auch die kleinen Kommoden und der Kleiderschrank erstrahlten nun in dieser Farbe. Natürlich trug Heather ab diesem Zeitpunkt jede Nacht ihr rosafarbenes Nachthemd, damit der Prinz sie auch erkennen konnte.

Sie war davon überzeugt, dass Prinzessinnen nur rosa tragen konnten, da das ihre Lieblingsfarbe war.

Selbst in ihre langen Haare musste Samantha ebensolche Schleifen binden, die einen wunderbaren Kontrast zu den dunklen Haaren des bildschönen Mädchens bildeten. Samantha wurde von tiefer Liebe durchflutet, als sie jetzt das Bild ihrer Tochter in sich aufnahm.

Einzig die Tatsache, dass Dornröschen blond war, Heather hingegen dunkel, irritierte die Kleine ein wenig.

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Samantha erklärte ihr daraufhin, dass Dornröschen als kleines Kind auch dunkles Haar gehabt hatte und erst später blond geworden war. Das beruhigte Heather zwar, trug aber dazu bei, dass sie inzwischen jeden Tag mehrmals vor dem Spiel stand, um nachzusehen, ob ihre Haare schon heller geworden waren.

Ralph vergötterte seine Tochter und verwöhnte sie nach Strich und Faden. Und auch ihren Großvater Samuel und ihren Urgroßvater Joseph hatte die Kleine im Nullkommanichts um den Finger gewickelt. Sie konnten ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.

Samantha versuchte dagegen zu steuern, wann immer sie konnte, aber gegen die männliche Übermacht kam sie einfach nicht an.

Und auch ihr selbst fiel es sehr schwer, diesen Augen etwas abzuschlagen. Belastend kam hinzu, dass Heather ihr einziges Kind bleiben würde, da es bei der Geburt Komplikationen gegeben hatte und Samantha nun keine weiteren Kinder mehr bekommen konnte. Somit wurde Heather im wahrsten Sinne des Wortes wie eine Prinzessin behandelt. Jetzt ruhten ihre großen Augen auf den Bildern in dem Märchenbuch, die sie förmlich verschlang. Sie prägte sich jedes noch so kleine Detail ein.

Ganz so, als würde sie dies alles zum ersten Mal sehen.

Samantha konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie nun anfing vorzulesen.

 

 

Kapitel 2

-Montag 08. Mai 2006-

 

»Miss Jackson, Doktor Hartcliff erwartet Sie. Wenn Sie mir bitte folgen würden«, vernahm Samantha die stets etwas streng klingende Stimme der älteren Sprechstundenhilfe und wurde abrupt aus ihren Gedanken gerissen.

Noch immer meinte sie, das nach reifem Pfirsich duftende Haar ihrer kleinen Tochter zu riechen und deren weiche Haut an der ihren zu spüren. Krampfhaft schluckte sie den Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, stand auf und griff dann nach ihrer Handtasche, die sie auf dem Stuhl neben sich abgelegt hatte.

Zu dieser vorgerückten Stunde, es war bereits kurz vor 18:00 Uhr, war sie die letzte Patientin in dem zwar hochmodernen, trotz alledem aber sehr gemütlich ausgestatteten Wartezimmer.

Sie achtete immer darauf, sich den letzten Termin geben zu lassen, um dadurch längere Wartezeiten zu vermeiden. Zudem konnte sie das mit ihrer Arbeitsstelle besser vereinbaren.

Und auch dieses Mal, wahrscheinlich das letzte Mal, hatte es wieder geklappt. Mit reichlich gemischten Gefühlen war sie, nachdem sie die Hunde auf dem Gnadenhof gefüttert hatte, mit ihrem in die Jahre gekommenen Ford-Fiesta nach Huntsville im US-Bundesstaat Alabama aufgebrochen. Sie benötigte für die knapp 45 Kilometer von Hartselle aus eine knappe Stunde, um in die im Madison County gelegene circa 215.000 Einwohner zählende Stadt zu gelangen.

Obwohl sie seit der Scheidung Großstädte mied, würde sie für Doktor Hartcliff noch ganz andere Herausforderungen meistern.

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Umso schwerer fiel es ihr nun, in gewisser Weise Abschied nehmen zu müssen. Abschied von einer ihr lieb gewordenen Gewohnheit, vor allem aber von einem Menschen, dem sie blind vertraute und dem sie unsagbar viel zu verdanken hatte.

Ohne ihn würde sie heute nicht dastehen, wo sie stand. Auch wenn sie nicht wirklich sicher sein konnte, so sagte ihr ein inneres Gefühl, dass dies wirklich ihre abschließende Sitzung war.

Bereits in ihrem letzten Gespräch vor zwei Wochen hatte Doktor Hartcliff ihr die Entscheidung überlassen, einen eventuellen weiteren Termin zu vereinbaren. Er selbst hielt das nicht mehr für notwendig. Etwas wehmütig ließ sie jetzt ihren Blick durch das mit dem letzten Sonnenlicht durchflutete Wartezimmer schweifen und versuchte, sich dabei jede Einzelheit genau einzuprägen.

Das Zimmer mit den lindgrün gestrichenen Wänden und den in gleicher Farbe dick gepolsterten Kissen der Rattanstühle vermittelte sofort Behaglichkeit.

Ganz im Gegensatz zu den überwiegend weiß gehaltenen und damit sehr steril wirkenden Warteräumen anderer Ärzte.

Nicht zuletzt die frischen Frühlingsblumen, die auf den zwei niedrigen Rattantischchen standen und die farbenfrohen Bilder ließen die Patienten förmlich vergessen, dass sie sich hier in einer Arztpraxis befanden.

Hinzu kam die sanfte, leise Musik, die aus kleinen Lautsprechern, die direkt neben der gläsernen Tür angebracht waren, rieselte und die Kranken sofort in einen entspannten Zustand brachte.

Doktor Hartcliff legte sehr großen Wert darauf, dass seine Patienten sich wohlfühlten, und das fing bei ihm im Wartezimmer an.

Da er ein hervorragender und überaus empathischer Arzt war und seine Praxis dementsprechend sehr stark frequentiert wurde, kam es nicht selten vor, dass man mit langen Wartezeiten rechnen musste.

Doktor Hartcliff nahm sich für jeden Patienten so viel Zeit wie dieser benötigte und beendete eine Sitzung erst dann, wenn er sein Gegenüber beruhigt entlassen konnte. Dabei sah er niemals auf die Uhr. Ein Umstand, der dazu führte, dass man selbst mit Termin niemals pünktlich drankam.

Doch das akzeptierten seine Patienten sehr gerne, da auch sie, genau wie Samantha, solch einen Arzt noch nie zuvor getroffen hatten. An der direkt rechts neben der Zimmertür befindlichen Getränkebar, wie er sie selbst scherzhaft nannte, konnte man sich nach Herzenslust mit verschiedenen Teesorten oder Wasser bedienen.

Und auch die zahlreichen Bücher und Zeitschriften, die der Arzt seinen Patienten in einem zur Einrichtung passenden Rattanregal zur Verfügung stellte, sollten dafür Sorge tragen, sich abzulenken und seine Gedanken nicht ständig auf Krankheit zu fokussieren.

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Das war in seinen Augen für einen Heilerfolg ganz entscheidend.

Samantha dankte wieder einmal gedanklich ihrer Freundin Cathy, dass diese ihr diesen Mediziner empfohlen hatte, als sie jetzt mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht der Sprechstundenhilfe folgte. Doktor Hartcliff erhob sich sofort aus seinem braunen Ledersessel, als Samantha nun in das ebenfalls lindgrün gehaltene Sprechzimmer des Arztes eintrat. Mit ausgestreckter Hand und einem breiten Lächeln, das auch seine dunkelbraunen Augen hinter der randlosen Brille erreichte, kam er um seinen Schreibtisch herum auf sie zu.

»Wie schön, Sie zu sehen, Miss Jackson«, begrüßte er sie und wies dann in die Besucherecke auf der rechten Zimmerseite.

Die drei sonnengelb gepolsterten Cocktailsessel, die um einen runden Glastisch dort gruppiert waren, wirkten gemeinsam mit dem knallroten Strauß Tulpen wie ein bewusster Farbklecks auf einem Gemälde. Sie sollten den Blick fokussieren und den Rest des Raumes ausblenden.

Doktor Hartcliff war Psychiater und wusste daher sehr genau, was in der Psyche eines Menschen vorging.

Äußerst gekonnt setzte er Farben, Gerüche und nicht zuletzt Musik ein. Für Samantha war es eine reine Wohltat, nach dem halbjährigen Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik einen Arzt kennenzulernen, der so ganz anders war als die Mediziner, die sie dort betreut hatten.

Hier wurde sie nicht behandelt wie eine Patientin, sondern kam sich eher vor wie eine alte Bekannte, wenn nicht sogar Freundin dieses hervorragenden Arztes.

Sie war sich ganz sicher, dass er maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass sie auf der einen Seite wieder ins Leben zurückkehren konnte und auf der anderen Seite auch wieder neuen Lebensmut gefunden hatte. Dafür würde sie ihm ewig dankbar sein. Er hatte es geschafft, dass sie mit dem unsagbaren Schmerz um den Verlust ihrer Tochter umgehen konnte. Eine Tatsache, die sie vor dem Zusammentreffen mit ihm noch für unmöglich gehalten hatte.

Auch wenn sie wieder gefestigt war, konnte sie sich einfach noch nicht dazu durchringen, einen Schlussstrich unter diesen Abschnitt ihres Lebens zu ziehen.

Das hätte unweigerlich bedeutet, die Sitzungen bei Doktor Hartcliff ein für alle Mal zu beenden. Dies wollte sie jedoch tunlichst vermeiden, da sie das Gefühl hatte, damit auch einen engen Freund zu verlieren. Gerade wirkliche Freunde, denen sie blind vertrauen konnte, hatte sie nur sehr wenige. Doktor Hartcliff war professionell genug, um einen persönlichen Kontakt nach Behandlungsabschluss von vorneherein auszuschließen. Das hatte er ihr unmissverständlich klargemacht, als sie ihn einmal zu einem Grillfest auf dem Gnadenhof eingeladen hatte. Freundlich, aber bestimmt hatte er abgelehnt und ihr auch die Gründe für diese Entscheidung genannt.

Damit stieg er zwar nur noch mehr in Samanthas Achtung, aber jetzt musste sie auch einen Weg finden, um sich endgültig abzunabeln. Das war ihr nur allzu bewusst und wohl auch der Grund, warum sie diesen Termin noch vereinbart hatte. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, kam er sofort auf dieses Thema zu sprechen, nachdem seine Sprechstundenhilfe die Tür hinter sich zugezogen hatte.

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»Liebe Samantha«, fing er an und betrachtete sie dabei mit einem gütigen Blick. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, bin aber auch etwas erstaunt, dass Sie den heutigen Termin wahrgenommen haben. Um ehrlich zu sein, bin ich davon ausgegangen, dass Sie ihn absagen werden. Ich wollte Ihnen jedoch nicht vorgreifen und habe diese Entscheidung daher Ihnen überlassen.

Hat sich denn in der Zwischenzeit etwas ereignet, dass Sie veranlasst hat, noch einmal das Gespräch mit mir zu suchen? Oder sind noch Fragen bezüglich unserer letzten Sitzung aufgetaucht?«

Bei diesen Worten sah er ihr direkt in die bernsteinfarbenen Augen. Samantha hatte wieder einmal das Gefühl, dass er bis in ihre Seele hinabblicken konnte.

Ein Umstand, der sie am Anfang der Behandlung ziemlich verunsichert hatte. Doch recht bald war dieses Gefühl gewichen und hatte einer ganz anderen Emotion Platz gemacht. Doktor Hartcliff vermittelte ihr damit, wichtig zu sein und sie und ihre Probleme, wenn man sie denn so nennen wollte, ernst zu nehmen.

Er konzentrierte sich einzig und allein auf sie. Alles andere wurde in diesem Moment zur Nebensache.

Dieses Gebaren führte dazu, dass Samantha sich ihm erstaunlich schnell vollkommen offenbaren konnte. Das war ihr während des Klinikaufenthaltes nicht ein einziges Mal gelungen.

Für die Ärzte dort war sie nur eine Nummer, die man möglichst mit Tabletten ruhig stellen und damit lediglich von ihrer Sucht befreien wollte. Ihre tief verletzte Psyche schien niemanden zu interessieren. Zumindest hatte es sich für sie so dargestellt. Daher war sie auch zunächst nur sehr zögerlich dem Rat ihrer Freundin Cathy gefolgt und hatte, da diese sie regelrecht bedrängte, einen Termin in der Praxis von Doktor Hartcliff vereinbart.

Das Vertrauen in Psychiater und Psychologen hatte sie zu diesem Zeitpunkt gänzlich verloren.

Im Nachhinein gesehen war dies jedoch das Beste, was sie überhaupt hatte tun können.

Sollte sie es wagen, ihm von dem immer wiederkehrenden Traum zu erzählen, der sie nun bereits seit einigen Wochen plagte und sie jedes Mal schweißgebadet aufwachen ließ?

Bisher hatte sie das tunlichst vermieden, da sie davon ausging, dass er sie dann wieder auf eine Hypnose ansprechen würde. Doch dazu war sie nicht bereit. Zumindest jetzt noch nicht.

Selbst Cathy hatte sie nichts davon gesagt, obschon sie vor ihrer Freundin keine Geheimnisse hatte. Bei der Erinnerung daran fing sie sofort an zu frösteln und rieb sich gedankenverloren über die Arme.

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Nein, entschied sie spontan, sie würde nicht darüber reden. Das war nur ein dummer Traum, mehr nicht.

Eines Tages würde er gewiss von ganz allein aufhören. Sie durfte ihm einfach nicht zu viel Bedeutung beimessen. Womöglich könnte Doktor Hartcliff ihn sogar für einen verzweifelten Versuch ihrerseits halten, um die Sitzungen noch ein wenig fortzusetzen. Nein, damit würde sie sich in ein regelrecht armseliges Licht stellen.

Und das wollte sie keinesfalls!

Als Samantha nun bemerkte, dass sie mit ihren Gedanken weit abgeschweift war und ihr Gegenüber noch immer auf eine Antwort von ihr wartete, schüttelte sie langsam den Kopf. Sie wusste nicht genau, wie sie beginnen und dem Arzt erklären sollte, was sie noch einmal in seine Praxis getrieben hatte. Doch das war auch nicht nötig.

Doktor Hartcliff nickte wissend und sprach dann auch schon weiter.

»Das dachte ich mir bereits. Ich weiß, dass Sie das jetzt nicht gerne hören wollen, aber Sie dürfen sich der Wahrheit nicht verschließen. Bereits bei Ihrem letzten Besuch wollte ich dieses Thema schon ansprechen, entschied mich dann aber doch dagegen. Ich wollte Ihnen noch ermöglichen, unser recht langes Gespräch sacken zu lassen.

Sie haben in den letzten eineinhalb Jahren ganz hervorragende Fortschritte gemacht und darüber bin ich sehr glücklich.

Unsere Therapie war somit ein voller Erfolg. Sie haben Ihr Leben wieder im Griff und können nach vorne sehen. Meine Aufgabe als Ihr behandelnder Arzt hat damit ein Ende gefunden.«

Als Samantha etwas dazu sagen wollte, hob er kurz seine Hand. »Bitte lassen Sie mich erst aussprechen. Als Psychiater besteht immer eine gewisse Gefahr seitens des Patienten, in eine mögliche Abhängigkeit seines Arztes zu geraten.

Dies gilt es dringend zu vermeiden. Vielleicht hätte ich schon viel früher die Reißleine ziehen sollen, aber es war mir so wichtig, dass Sie trotz Ihrer Trauer um Ihre Tochter und den Verlust Ihrer Ehe wieder festen Boden unter den Füßen bekommen. Und das wollte ich um jeden Preis gewährleisten. Möglicherweise habe ich dabei übersehen, dass Sie angefangen haben zu glauben, mich zu benötigen, um Ihr Leben leben zu können. Doch das ist nicht wahr.

Sie brauchen mich nicht und haben es im Grunde genommen nie getan. Ich war lediglich dazu da, um die richtigen Fragen zu stellen und Sie wieder in die gewünschte Richtung zu lenken.

Ich habe sozusagen nur Ihre Gedanken geordnet. Alles andere war Ihr eigener Verdienst.

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Es gibt immer wieder Situationen im Leben, die die Menschen aus dem Gleichgewicht bringen, zumindest für eine gewisse Zeit. Das ist völlig normal und nichts, wofür man sich schämen muss. Sie haben das einzig Richtige getan und sich Hilfe gesucht. Leider tun das nicht alle Menschen und leiden lieber still vor sich hin.

Jetzt ist für Sie der Zeitpunkt gekommen, um wieder selbstbewusst und eigenständig weiterzugehen. Genau so, wie Sie es bereits vor Ihrem Zusammenbruch getan haben. Damals waren Sie eine sehr starke Frau und das sind Sie heute auch wieder. Sie haben für Ihr Leben gekämpft und Sie haben gewonnen. Es gibt nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen. Und glauben Sie mir, wenn das nicht so wäre, würden wir dieses Gespräch ganz sicher nicht führen.«

Bei diesen Worten glitt ein sanftes Lächeln über sein Gesicht, das ihn für Samantha noch gütiger erscheinen ließ.

Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie in ihm immer eine Art Vaterfigur gesehen. Sie hatte ihren eigenen Vater, den sie bereits im frühen Kindesalter durch einen tragischen Unfall verloren hatte, ihr ganzes Leben lang schmerzlich vermisst.

Sie konnte sich kaum noch an ihn erinnern. An sein Gesicht, seine Stimme oder auch nur seinen Geruch.

Doktor Hartcliff verkörperte für sie den Vater, den sie gerne gehabt hätte. Das wurde ihr in diesem Moment bewusst.

Mit Tränen in den Augen nickte sie schließlich und räusperte sich kurz, bevor sie anfing zu sprechen.

»Sie haben vollkommen recht, Doktor Hartcliff und ich bin mir dessen auch bewusst. Ich wollte Sie ganz gewiss nicht mit meinen Unzulänglichkeiten belasten. Ich bin so froh, dass Sie mich auf den Weg gebracht haben und ich wieder eine Zukunft habe. Sie sind der einzige Mensch, der mir in dieser schweren Zeit wirklich hat helfen können. Das macht es mir wahrscheinlich auch so unsagbar schwer, diese Behandlung nun abzuschließen. Jedoch weiß ich auch, dass ich es tun muss und im Inneren wahrscheinlich auch tun will. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie so offen zu mir waren. Ich denke, dass ich genau diese Worte noch gebraucht habe.«

Der Psychiater nickte und sah sie dann mit Stolz in den Augen an.

»Nichts anderes habe ich von Ihnen erwartet, liebe Samantha.« Dann erhob er sich aus seinem Sessel und auch Samantha stand auf. Der Arzt überragte sie um eine Kopflänge und so musste sie zu ihm aufsehen, als er ihr nun zum Abschied die Hand gab.

»Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass für Sie noch einmal ein Moment kommt, in dem Sie Hilfe von mir benötigen, so muss ich wohl nicht erst bekräftigen, dass meine Praxistür natürlich stets für Sie offensteht. Und jetzt wünsche ich Ihnen das Leben, das Sie wirklich verdienen. Ein glückliches Leben in Zufriedenheit und Fülle.«

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Samantha bedankte sich, straffte ihre Schultern und trat dann durch die geöffnete Sprechzimmertür, die der Arzt für sie aufhielt.

Es war alles gesagt. Erst als er die Tür wieder hinter seiner ehemaligen Patientin geschlossen hatte, erlaubte es sich Doktor Hartcliff einen Moment innezuhalten.

Die Behandlung von Miss Jackson war zwar ein voller Erfolg, gleichwohl beschäftigten ihn immer noch einige Ungereimtheiten, die er bis heute nicht hatte verstehen können.

In den unzähligen Gesprächen mit seiner Patientin hatte sie immer wieder bekräftigt, niemals in ihrem Leben Drogen konsumiert, geschweige denn jemals ein Alkoholproblem gehabt zu haben.

Sie konnte sich selbst nicht erklären, wie es dazu kommen konnte, zumal sie eine glückliche Ehe geführt hatte und es keinerlei Probleme gab. Doktor Hartcliff hatte ihr daraufhin angeboten, eine Hypnose bei ihr durchzuführen, um an die mögliche Ursache heranzukommen, die in seinen Augen tief in ihrem Unterbewusstsein verschlossen war.

Doch Samantha Jackson hatte abgelehnt. Sie hatte Angst vor einer solchen Sitzung. Vielleicht fürchtete sie auch eine Wahrheit, die sie sich nicht eingestehen wollte.

Da Doktor Hartcliff sie keinesfalls drängen oder zu irgendetwas überreden wollte, sprach er das Thema nie wieder an.

Eine Hypnosesitzung hätte unter solchen Voraussetzungen sowieso keinen Erfolg gebracht. Seine Neugierde als Arzt jedoch beschäftigte diese Problematik noch immer. Wie konnte ein Mensch, der niemals mit Drogen in Berührung gekommen war, auf einmal aus heiterem Himmel sozusagen derart abrutschen? Das konnte er nicht verstehen.

Kopfschüttelnd, wie um diese Gedanken ein für alle Mal zu verscheuchen, ging er zu seinem Schreibtisch hinüber und setzte sich wieder in seinen Ledersessel.

Er musste dringend einige Patientenakten durcharbeiten und wusste

bereits im Vorhinein, dass dieser Arbeitstag noch lange kein Ende

gefunden hatte.

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Samantha trat unterdessen auf den Bürgersteig hinaus und drehte sich noch einmal zu dem imposanten Haus im Kolonialstil herum.

Das war gewiss das letzte Mal, dass sie nach Huntsville fahren würde. Dieser Abschnitt ihres Lebens lag nun hinter ihr.

Mit einem tiefen Seufzer schloss sie für einen kurzen Moment die Augen und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Fiesta, den sie nur wenige Meter entfernt von der Arztpraxis geparkt hatte.

Tief in Gedanken versunken trat sie schließlich den Heimweg zum Gnadenhof an, ohne dabei dem pulsierenden Leben in der Stadt um sich herum weitere Beachtung zu schenken.

Der Highway über Decatur wurde zusehends voller, je weiter sie kam. Sie war es bereits gewohnt, zu dieser Zeit in die Rushhour zu geraten. Es war Feierabendverkehr und die Pendler machten sich nach getaner Arbeit auf den Nachhauseweg zu ihren Familien.

Auch Samantha hatte nun einen wichtigen Lebensabschnitt zu einem Ende gebracht und freute sich jetzt umso mehr auf das nach Hausekommen.

 

 

Kapitel 3

 

Die Sonne war bereits untergegangen, als Samantha schließlich in den kurzen Schotterweg einbog, der von einem der zahlreichen Waldwege abging, um dann in einen kleinen Parkplatz überzugehen, der für insgesamt sechs Fahrzeuge Platz bot.

Er befand sich auf der linken Seite des schmiedeeisernen Tores, das den Hauptzugang zum Gnadenhof ihrer Freundin Cathy bildete. Bei dem Hof handelte es sich um ein mehrere Hektar großes Gelände, welches inmitten einer hügeligen, von Wiesen, Sträuchern, Felsen und kleinen Wäldern geprägten Landschaft lag.

Der schmale Feldweg, der nach ungefähr sechshundert Metern nach dem Ortsausgangsschild von Hartselle abzweigte, schlängelte sich mitten durch die naturbelassene Landschaft.

Er wurde oft von Wandergruppen genutzt und führte nach circa fünf Kilometern und weiteren Abzweigungen schließlich zu dem mit einem hohen weißen Lattenzaun begrenzten Grundstück.

Lediglich das Hinweisschild, das Cathy in der Einfahrt des Weges hatte anbringen lassen, wies darauf hin, dass sich hier irgendwo in dieser Wildnis ein Gnadenhof für Tiere befand.

Natürlich waren das örtliche Sheriffbüro und auch die ansässigen Tierärzte und Tierheime der näheren Umgebung über die Existenz dieses Hofes informiert. Cathy schaltete auch immer wieder in regelmäßigen Abständen entsprechende Annoncen, um die Leute darauf hinzuweisen, dass, wenn sie streunende Tiere sehen würden oder Tiere, die hilfsbedürftig waren, sie sich bitte mit ihr Verbindung setzen sollten.

Schon sehr häufig war Samantha auch des Nachts mit ihrer Freundin zu spektakulären Rettungsaktionen aufgebrochen.

Cathy legte keinen großen Wert darauf, dass sich immer wieder fremde Menschen auf dem Gelände aufhielten und damit die Ruhe ihrer geliebten Tiere störten. Daher hatte sie auch keinerlei weitere Hinweisschilder anbringen lassen und machte sich lieber selbst auf den Weg, um aufgefundene Tiere abzuholen.

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Schon von Weitem konnte Samantha jetzt lautes Hundegebell hören und augenblicklich stahl sich ein breites Lächeln auf ihr Gesicht.

Nachdem sie ihren altersschwachen Fiesta auf dem Schotterplatz neben dem dunkelroten Range Rover ihrer Freundin abgestellt hatte, griff sie nach ihrer Handtasche und stieg aus. Momentan parkten noch der Chevrolet von Nancy und das Motorrad von John hier.

Cathy beschäftigte neben ihr noch fünf Festangestellte, die eigentlich abwechselnd in zwei Schichten hätten arbeiten sollen.

Von Anfang an hatte es sich allerdings so eingebürgert, dass die beiden, die jetzt hier waren, ständig die Nachtschichten übernahmen.

Im Gegensatz zu Clara, Maria und Carlos, die glücklich waren, tagsüber arbeiten zu können, machte es John und Nancy überhaupt nichts aus, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. Sie waren beide Langschläfer und machten lieber die Nacht zum Tag.

Da Samantha gemeinsam mit Cathy auf dem Hof lebte, waren sie ständig verfügbar, wenn einmal Not am Mann war.

Samantha war das sogar sehr recht. Sie war für jede Ablenkung dankbar und die Arbeit auf dem Gnadenhof gab ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles und auch sehr Wertvolles zu tun.

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Cathy hatte sie förmlich gerettet, als sie ihr nach ihrer Entlassung aus der Klinik einen Job auf dem Hof anbot, den sie erst vor knapp drei Jahren eröffnet hatte.

Zeitgleich bot sie ihr das zuvor renovierte kleine Gästehaus an, das direkt an das Hauptgebäude anschloss. Samantha überlegte nicht lange und ergriff sofort diese Chance. Genau wie Cathy, die sich bereits als kleines Kind um verwaiste Katzen und Hunde gekümmert und ständig neue Tiere mit nach Hause gebracht hatte, liebte auch Sam diese liebevollen Wesen über alles.

Leider hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt nie die Möglichkeit gehabt, ein eigenes Tier zu halten. Nachdem ihr Vater früh verstorben war, lebte sie gemeinsam mit ihrer Mutter in einer kleinen Mietwohnung, in der Tiere verboten waren. Nach ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau zog sie von zu Hause aus und mietete sich ein kleines Appartement. Doch auch hier waren Haustiere nicht erwünscht.

Und auch in ihrer späteren Ehe mit Ralph hatte sie nie die nötige Zeit gefunden, sich ein eigenes Tier anzuschaffen.

Sie war gemeinsam mit ihrem Mann vollends mit der Arbeit auf der Ranch beschäftigt gewesen.

Kurz schweiften ihre Gedanken ab, und sie hatte fast das Gefühl, wieder den Geruch der Rinder in der Nase zu haben, die Ralphs Großvater gezüchtet hatte. Wie sehr hatte sie dieses Land geliebt, auch wenn es harte Arbeit bedeutet und sie oftmals an den Rand ihrer Kräfte gebracht hatte.

Joseph Newton hatte die riesige Ranch in Texas, auf der sie mit ihrem geschiedenen Mann gelebt hatte, aufgebaut.

Er hatte zwei Söhne bekommen, Edward und Samuel, den Vater von Ralph. Seine Frau war bei der Geburt des jüngsten Sohnes gestorben. Das Verhältnis zu seinem ältesten Sohn war wohl im Laufe der Jahre in die Brüche gegangen, zumindest hatte man das Samantha so erzählt.

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Es sollte einen heftigen Streit zwischen den beiden gegeben haben, der Edward dazu veranlasste, nach Südamerika auszuwandern. Wobei es in diesem Streit ging, hatte sie jedoch nie erfahren.

Als sie Ralph an einem Tag der ″Offenen Tür″ auf der Ranch kennengelernt hatte, war bei ihnen sofort der Funke übergesprungen.

Von da an trafen sie sich regelmäßig.

Da Samanthas kleines Appartement unweit der Ranch gelegen war, fuhr sie direkt nach Feierabend zu ihrem damaligen Freund, um dort auszuhelfen. Auf der Ranch gab es immer etwas zu tun und Samantha machte die Arbeit Spaß. Sie war der perfekte Ausgleich zu ihrem tristen Job im Büro. Auf einem der Viehmärkte schließlich, die sie gemeinsam mit den Newton Männern besucht hatte, lernte sie auch ihre spätere Freundin Cathy kennen.

Cathys Eltern waren ebenfalls sehr vermögend und besaßen neben ihrer eigenen noch zwei weitere Rinderfarmen in Texas, die sie verpachtet hatten. Der alljährliche Viehmarkt gehörte bei ihnen zum Standardprogramm, da sie dort auch immer wieder sehr viele Freunde und Bekannte trafen. Cathy als frisch gebackene Tierärztin begleitete ihre Eltern so oft es nur ging, um eventuelle Tiere einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen, bevor ihr Vater sich zu einem Kauf entschied.

Außerdem tat sie es aus eigenem Interesse. Bereits als Zehnjährige hatte sie ihre Leidenschaft für Esel und Pferde entdeckt.

Sie entwickelte sich zu einer hervorragenden Reiterin und gewann sogar zahlreiche Turniere. Mittlerweile konnte sie drei Stuten und zwei Esel ihr Eigen nennen. Doch sie war immer noch auf der Suche nach einem ganz besonderen Hengst.

Und somit bereiste sie hin und wieder Viehmärkte, um vielleicht dort solch ein Tier finden zu können.

Nach erfolgreich abgeschlossenem Tierarztstudium hatte sie eine eigene Tierarztpraxis eröffnet und führte diese sehr erfolgreich fünf Jahre lang. Schnell sprach sich herum, dass sie auch streunende Hunde und Katzen aufnahm und kostenlos behandelte, wenn man sie zu ihr brachte und sie Hilfe benötigten. Das oftmals grausame Leid dieser ausgestoßenen und nicht selten von ihren ehemaligen Besitzern misshandelten Geschöpfe zerbrach ihr fast das Herz. Sie musste mehr für diese armen Tiere tun und gerade den Älteren unter ihnen, die niemand mehr haben wollte, einen Platz für ihren Lebensabend anbieten können.

Schnell reifte in ihr der Entschluss, einen sogenannten Gnadenhof für diese ausgestoßenen Wesen ins Leben zu rufen. Ohne Vorbehalte waren ihre Eltern sofort bereit, eine entsprechende Patenschaft für diesen Hof zu übernehmen und machten sich gemeinsam mit Cathy auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück.

Zunächst gestaltete sich diese jedoch recht schwierig, denn Cathy hatte ganz konkrete Vorstellungen.

Das Gelände musste sehr weitläufig sein und fernab der nächsten Ortschaften gelegen. Sie wollte von vorneherein vermeiden, dass sich Anwohner über potenzielles Hundegebell aufregen würden.

Einem engen Freund ihres Vaters war es schließlich zu verdanken, dass sie endlich das geeignete Grundstück fand. Zu einem horrenden Preis bot die Gemeinde Hartselle ein Stück Land an, das sich mitten im Nirgendwo befand. Der ehemalige Besitzer war verstorben und hatte keine Erben hinterlassen.

Somit war das Anwesen an die Gemeinde übergegangen. Für Cathys Bedürfnisse ein wahrer Glücksfall.

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Nachdem ihre Eltern ihr einen Teil ihres Erbes ausgezahlt hatten, kaufte sie kurzerhand dieses Stück Land und ließ das sich darauf befindliche Haupthaus und das Nebenhaus nach ihren Vorstellungen umbauen. Erst als auch entsprechende Stallungen und Hundehütten errichtet worden waren, holte sie ihre drei Pferde und die zwei Esel nach. Sie waren die ersten Bewohner ihres neuen Zuhauses.

Cathy und Samantha, die von ihrer Familie und ihren engsten Freunden nur Sam genannt wurde, waren sich auf Anhieb sympathisch und recht schnell darauf entstand eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Frauen.

Ein Jahr darauf wurde Cathy sogar Samanthas Trauzeugin.

»Willst du hier Wurzeln schlagen?«, vernahm sie auf einmal die melodische Stimme ihrer Freundin und schreckte aus ihren Gedanken auf. In dunklen Jeans, Cowboystiefeln und einem dicken Sweatshirt kam Cathy auf sie zu. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, der über ihrer rechten Schulter hing.

Da sie das Tor nicht wieder hinter sich geschlossen hatte, stürmten jetzt laut bellend zwei große Hunde auf Samantha los und sprangen übermütig an ihr hoch. »Habt ihr etwa auf mich gewartet?«, sprach diese lächelnd die Tiere an und ging vor ihnen in die Hocke. Sofort leckten ihr die beiden schwarzen Labradormischlinge das Gesicht ab und winselten dabei aufgeregt. »Sie haben den Wagen gehört und konnten es nicht mehr abwarten«, warf Cathy nun lachend ein und musterte Sam dabei aufmerksam.

»Wie ist es gelaufen?«, fragte sie Samantha dann.

»In Zukunft kann ich Großstädte meiden«, erwiderte diese mit aufgesetzter Heiterkeit, konnte ihrer Freundin damit aber nichts vormachen. Dafür kannte Cathy sie einfach zu gut. »Dann war das also wirklich deine letzte Sitzung heute?«, vergewisserte sie sich noch einmal und Sam nickte.

»Sitzung kann man es eigentlich nicht nennen, wenn ich ehrlich bin. Doktor Hartcliff hat mir nur noch einmal ins Gewissen geredet. Er sagte, dass ich jetzt vollkommen genesen bin und nach vorne sehen soll, um mein Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.«

»Meine Rede«, erwiderte Cathy und hakte sich bei Samantha unter.

»Wir haben eben noch zwei Neuzugänge bekommen, während du weg warst. Du wirst also alle Hände voll zu tun haben und gar nicht mehr über den lieben Herrn Doktor nachdenken können. Und er hat recht mit allem, was er sagt. Dein neues Leben ist hier bei unseren Tieren, wenn du das möchtest.«

Damit schob sie Samantha sanft, aber bestimmt auf das Haupttor zu. Die beiden Hunde folgten ihnen auf dem Fuße.

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»Außerdem war der Doktor doch sowieso viel zu alt für dich«, fügte sie scherzhaft hinzu und kniff ihr dabei leicht in die Seite. Dann schloss sie das Tor hinter ihnen und drehte den Schlüssel im Schloss herum.

Als Samantha etwas erwidern wollte, fiel sie ihr direkt ins Wort, während sie sich über die saftigen grünen Wiesen hinweg auf das Haupthaus zubewegten.

»War doch nur ein kleiner Scherz, mein Liebes. Ich weiß doch, dass Doktor Hartcliff glücklich verheiratet ist und für dich so etwas wie ein Vaterersatz war. Ich wollte dich lediglich etwas aufmuntern. Komm, lass uns erst mal ins Haus gehen und etwas essen. Ich habe uns einen Nudelauflauf gemacht. Danach sehen wir nach unseren beiden neuen Mitbewohnern, um die John sich gerade kümmert.«

Dann blieb sie ganz abrupt stehen und fasste sich an die Stirn.

»Jetzt hätte ich es doch in der ganzen Aufregung fast komplett vergessen.« Samantha war ebenfalls stehen geblieben und sah ihre Freundin verwundert an.

»Vorhin rief eine Mrs. Bailey für dich an«, sprach diese dann auch schon weiter.  »Sie sagte, es sei dringend. Kennst du sie?«

»Mrs. Bailey?«, wiederholte Samantha. »Diesen Namen habe ich noch nie gehört. Wer soll das sein und was wollte sie denn?«

Doch Cathy zuckte nur mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Das wollte sie mir nicht verraten, da es angeblich sehr persönlich sei und sie nur mit dir darüber sprechen könnte. Ich habe ihr gesagt, dass du erst heute spät zurückkommen würdest. Sie wollte sich daher morgen noch einmal melden.«

Gut gelaunt schritt Cathy nun voraus und konnte nicht verhindern, dass die beiden Hunde sie überholten. Sie hatten bereits das leckere Essen gerochen.

Samantha hingegen folgte den dreien gemessenen Schrittes. Ihre Gedanken schweiften zu dieser Mrs. Bailey ab. Wer in aller Welt sollte das sein? Blitzschnell kramte sie in ihrem Gedächtnis nach, konnte sich aber beim besten Willen an niemandem mit einem solchen Namen erinnern. Und was war so dringend, dass eine wildfremde Frau mit ihr persönlich sprechen wollte? Darauf konnte sie sich keinen Reim machen.

Innerlich zuckte sie mit den Schultern. Heute würde sie das sowieso nicht mehr erfahren und konnte sich daher auch erst einmal auf Cathys berühmt-berüchtigten Auflauf stürzen. Erst jetzt merkte sie, dass sie wirklich hungrig war.

Und dann war sie schon sehr gespannt auf die beiden neuen Tiere, zu denen Cathy sich noch nicht weiter hatte äußern wollen.

 

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